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Steuerrecht 2025

Substance over form – Steuerliche Fallstricke bei Holdingstrukturen

Anforderungen an Holdingstrukturen im internationalen Steuerrecht steigen, besonders im Hinblick auf die Substanz von Unternehmen. Initiativen wie die EU-ATAD 3 sollen Briefkastenfirmen verhindern. Dieser Beitrag erklärt Ihnen die Wichtigkeit von Substanzanforderungen für Holdingstrukturen und wie steuerliche Fallstricke vermeiden werden können.

Internationale Substanzanforderungen und Steuerpraxis

Seit längerem zeichnet sich auch auf internationaler Ebene eine Tendenz ab, welche steuerlich höhere Anforderungen an die Substanz von Unternehmen stellt. In diese Richtung steuert auch die EU mit ihrer 'Unshell' Initiative "ATAD 3". Diese zielt darauf ab, die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen zu unterbinden. Die Schweizer Steuerpraxis wendet solche Regeln im internationalen Verhältnis schon seit längerem an. 

Bei internationalen Strukturen stehen "substanzlose" Gesellschaften aus Sicht des Quellenstaates im Fokus. Dabei prüft primär der Quellenstaat, ob die ausländische Gesellschaft, an die er eine Leistung erbringt, nach seinem Verständnis genügend Substanz ausweist oder, ob die Gesellschaft aus rein steuerlichen Gründen existiert. Fehlt es auf Stufe der ausländischen Gesellschaft nämlich an der erforderlichen Substanz, können den involvierten Personen im internationalen Verhältnis Vorteile von Doppelbesteuerungsabkommen abgesprochen werden. Die negativen steuerlichen Implikationen mangelhafter Substanzerfordernisse sind mannigfaltig. Konkret verweigert bspw. die ausländische Steuerbehörde die Rückerstattung der ausländischen Quellensteuer auf Dividenden einer ausländischen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft Im Ergebnis führt dies zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung des gleichen Substrats auf Stufe der Tochtergesellschaft wie auch auf Stufe der Muttergesellschaft. 

Die langjährige Schweizer Steuerpraxis entwickelte einen Anforderungskatalog für die Substanzvoraussetzungen, der sich in ähnlicher Form auch bei anderen Jurisdiktionen wiederfindet und als Massstab für die internationale Steuerpraxis betrachtet werden kann. Dabei wird zwischen personeller, funktioneller und finanzieller Substanz unterschieden. 

Personelle Substanz

Zur personellen Substanz gehören Geschäftsräumlichkeiten (Mietaufwand), Personal (Personalaufwand) und sonstige Ausrüstungsgegenstände (IT usw.). Bezüglich des Umfangs kommt es auf den Einzelfall an. Hilfsfunktionen, d. h. Tätigkeiten die nicht vom Gesellschaftszweck gedeckt sind wie Buchhaltung und Rechnungswesen können auch ausgelagert, sollten aber der Gesellschaft verrechnet werden. 

Funktionelle Substanz

Die funktionelle Substanz bezieht sich auf die wirtschaftliche Tätigkeit und den dafür angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb der Gesellschaft. Bei klassischen Holdinggesellschaften ist zwischen einer aktiven und passiven Beteiligungsverwaltung zu unterscheiden. Lediglich die aktive Beteiligungsverwaltung qualifiziert als hinreichende Wirtschaftstätigkeit im Sinne eines Geschäftsbetriebs. Die aktive Beteiligungsverwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass Führungsentscheidungen mit Langfristigkeit und grundsätzlicher Bedeutung für die Gruppe ausgeübt werden. Kurzfristige Entscheidungen des Tagesgeschäfts der Tochtergesellschaften sollen nicht auf die Holding übertragen werden. Funktionelle Substanz einer Holding setzt zudem das Halten von mehr als einer Tochtergesellschaft voraus.

Finanzielle Substanz

Die finanzielle Substanz wird indirekt angesprochen, da die Holdinggesellschaft nicht nur Investitionsentscheidungen fällen, sondern wo notwendig auch Tochtergesellschaften finanzieren soll. Unter dem Aspekt der finanziellen Substanz wird eine Eigenkapitalquote von mind. 30 % als ausreichend betrachtet.

Abschliessend

Ob die Substanzanforderungen an eine Schweizer Gesellschaft aus Sicht des ausländischen Quellenstaates oder an eine ausländische Gesellschaft aus Sicht des Schweizer Quellenstaates erfüllt sind, ist stets im Einzelfall und aus der Perspektive des betroffenen Steuerrechts zu prüfen.

Es kann allerdings festgehalten werden, dass mit dem Einhergehen erhöhter Transparenz im internationalen Steuerrecht die Substanzanforderungen an Unternehmen generell steigen. Die Zeit von substanzlosen Gesellschaften – bekannt auch als Briefkastenfirmen – dürfte definitiv vorbei sein.

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  • Stefan Wigger

    Stefan
    Wigger

    MLaw, dipl. Steuerexperte, LL.M. UZH International Tax Law

  • Katrin Speck

    Katrin
    Speck

    dipl. Steuerexpertin, Rechtsanwältin