
Ehrenamtlicher Stiftungsrat und trotzdem in der Haftung
Viele Stiftungen setzen nach wie vor Ehrenamtlichkeit voraus. Das Bewusstsein für die persönliche Haftung von Stiftungsräten – auch ehrenamtlichen – ist jedoch wenig ausgeprägt. Wir möchten Ihnen dieses wichtige Thema näherbringen und haben die unseres Erachtens wichtigsten Punkte nachfolgend aufgegriffen.
Im geltenden Stiftungsrecht werden die Organe einer Stiftung und die Art der Verwaltung in der Stiftungsurkunde festgestellt. Diese kurze und knappe gesetzliche Umschreibung der allgemeinen Organisation einer Stiftung ist direkter Ausfluss einer grundsätzlich vorherrschenden Stifter- sowie Organisationsfreiheit im Schweizerischen Zivilrecht.
Gerade die Freiheiten bei der inhaltlichen Organisation und der Regelungsdichte führen zu einer reichhaltigen Praxis an Organisationsformen und -modellen, sowohl hinsichtlich des eingesetzten Personals, dessen Funktion (Stiftungsrat, Geschäftsführer, Prokurist etc.), als auch mit Blick auf die Auf- resp. Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen. Dabei darf wohl als Grundsatz stets gelten: Je mehr Personen für eine Stiftung tätig sind und je mehr Funktionen vergeben werden, desto höher erweist sich der Bedarf und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Regelung der organisatorischen Einzelheiten mitsamt den Verantwortlichkeiten.
Als Begriff für das gesetzlich vorgeschriebene oberste Stiftungsorgan hat sich in der Praxis der Begriff des Stiftungsrates eingebürgert. Nebst dem Gesetzesrecht und der Stiftungsurkunde kommen als Grundlage für die Tätigkeit des Stiftungsrates in erster Linie entsprechende Reglemente und / oder ein sogenannter Organträgervertrag in Betracht. Damit kann in mehr oder weniger ausführlicher Art und Weise das Rechtsverhältnis zwischen der Stiftung und dem Stiftungsrat näher geregelt werden.
Rechte und Pflichten
Der Stiftungsrat hat das Recht, aber auch die Pflicht, im Rahmen der Geschäftsführung die Angelegenheiten der Stiftung zu besorgen und diese gegen aussen zu vertreten. Nebst der Oberleitung der Stiftung ist der Stiftungsrat in erster Linie verantwortlich für die Verwaltung des Vermögens im Rahmen des Stifterwillens, die sorgfältige Betreuung des Vermögens sowie die gehörige Verfolgung bzw. Umsetzung des Stiftungszwecks. Die Stiftung verfügt als Anstalt – etwa im Gegensatz zur körperschaftlich organisierten Aktiengesellschaft mit ihrer Generalversammlung – nicht über ein eigentliches Willensbildungsorgan und das damit typischerweise einhergehende Selbstbestimmungsrecht. Insofern obliegt es in erster Linie dem Stiftungsrat, den Stifterwillen gebührend umzusetzen.
Vorbehältlich abweichender Anordnungen durch den Stifter verfügt der Stiftungsrat im Grundsatz demnach über relativ umfassende Befugnisse, was nicht zuletzt in haftungs- resp. verantwortungsrechtlicher Hinsicht von Bedeutung ist: Grundsätzlich steht die Stiftung für Verbindlichkeiten selbst und ausschliesslich ein, zumal der Stiftungsrat durch seine (Rechts-)Handlungen primär die Stiftung verpflichtet und nicht sich selbst.
Darüber hinaus ist mit Blick auf die (zivilrechtliche) Verantwortlichkeit des Stiftungsrats stets zu unterscheiden zwischen der Haftung gegenüber der Stiftung und derjenigen gegenüber Dritten:
- Das Gesetz regelt die Haftung des Stiftungsrates als oberster Organträger nicht ausdrücklich. In aller Regel gelangen in dieser Beziehung die auftragsrechtlichen oder – bei höherer «Intensität» des Vertragsverhältnisses – die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung. Bei ehrenamtlicher Tätigkeit ist gemeinhin ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen.
- In Bezug auf die Haftung des Stiftungsrates gegenüber Dritten ist in erster Linie auf Art. 55 Abs. 3 ZGB zu verweisen, wonach die handelnden Personen für ihr Verschulden gegenüber geschädigten Dritten ausserdem persönlich verantwortlich sind (sog. Organträgerhaftung). Mehrere Stiftungsräte haften unter sich grundsätzlich solidarisch.
Ob und welche Bestimmungen verantwortlichkeitsrechtlich letztlich anwendbar und angemessen sind, beurteilt sich stets und ausschliesslich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Herausforderungen für Stiftungsräte
Die Herausforderungen für Stiftungsräte sehen wir aktuell insbesondere bei den folgenden Punkten:
- Stuftungsaufsicht: Der Stiftungsrat darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen, nur weil die Stiftung einer Stiftungsaufsicht unterliegt. Seine Pflichten obliegen ihm und können nicht an eine Aufsicht delegiert werden. Die Stiftungsaufsicht versteht sich vielmehr als Korrektiv zu fehlenden Eigentümerinteressen.
- Organisationsmängel: Zu viele
Stiftungsratsmitglieder führen zu enorm langen Entscheidungswegen, und
es können sich nicht mehr alle Verantwortungsträger einbringen. Zu
wenige Mitglieder hingegen vereinen nicht genug Fachwissen und sind,
wenn nicht alle Mitglieder an der Sitzung sind, rasch nicht mehr
entscheidungsfähig.
Eine fachlich diverse Zusammensetzung von engagierten und anwesenden bzw. zeitlich verfügbaren Stiftungsratsmitgliedern zu gewinnen, ist sehr wichtig. Auch eine den Bedürfnissen der Stiftung angemessene Anzahl an Sitzungen, klare Entscheidungsstrukturen und nicht zu viele Gremien sind an dieser Stelle erwähnenswert. - Interessenskonflikte: Auftragsvergaben an
Stiftungsratsmitglieder müssen dem Vergleich Dritter standhalten. Es ist
darauf zu achten, dass persönlich betroffene Stiftungsratsmitglieder
bei Bedarf in
den Ausstand treten.
Bei der Vergabe von Darlehen an Nahestehende ist äusserste Zurückhaltung zu üben und die Hintergründe und Überlegungen, welche allenfalls trotzdem zu einer Vergabe führen, sind im Stiftungsratsprotokoll ausreichend zu dokumentieren. - Konflikte im Stiftungsrat: Ein Streit um die
Ausrichtung der Stiftung kann alles lähmen. Vakanzen sind v. a. bei
ehrenamtlich tätigen Stiftungsräten nicht einfach zu besetzen. Trotzdem
sollten sich die bestehenden Stiftungsräte bei einer Neuaufnahme einig
sein. So können persönliche Animositäten am ehesten vermieden werden.
Kampf um Mandate und Honorardiskussionen gehören nicht in den Stiftungsrat. Die Stiftung und ihr ureigenster Zweck müssen immer im Fokus stehen.
Aufgaben und Kompetenzen eines Stiftungsrates
Das gesetzliche Stiftungsrecht enthält – etwa im Unterschied zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft – keinen Katalog mit Aufgaben und Kompetenzen des Stiftungsrates. Hingegen wurden im Rahmen von Revisionen vereinzelte Pflichten des obersten Stiftungsorgans im Gesetz statuiert, so etwa die Pflicht zur Buchführung, zur Bezeichnung einer Revisionsstelle oder zur Ergreifung von Massnahmen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Weitere Pflichten finden sich in der Handelsregisterverordnung und in kantonalen Stiftungsaufsichtsverordnungen.
Die ihm zukommenden Kompetenzen hat der Stiftungsrat grundsätzlich selbst und in eigener (persönlicher) Verantwortung wahrzunehmen. Gerade unter haftungs- und verantwortlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten empfiehlt sich daher eine regelmässige, sorgfältige Analyse der Organisations-, Aufgaben- sowie Kompetenzstrukturen, sowohl innerhalb der Stiftung – und unter Einbezug der Regularien (insb. Stiftungsurkunde und Reglemente) – als auch im Verhältnis nach aussen. So kann bspw. eine zulässige, rechtlich saubere Delegation von Geschäftsführungsbefugnissen haftungseinschränkende Wirkung zeigen, wobei sich die Verantwortung der betroffenen Stiftungsräte auf die Auswahl, Instruktion und Überwachung der eingesetzten Personen reduziert. Ebenfalls zunehmend von Bedeutung sind einschlägige Versicherungslösungen für die Tätigkeit als Stiftungsrat (sog. Organhaftpflichtversicherungen), weshalb es sich empfiehlt, den Bedarf einer entsprechenden Deckung zu prüfen.
Ehrenamtlichkeit
Trotz vieler Herausforderungen müssen auch in der Zukunft genügend Freiwillige bereit sein, diese Verantwortung zu übernehmen und sich als Stiftungsrat engagieren.
Gemeinnützige Arbeit wird umso wichtiger, je mehr sich der Staat aus Spargründen aus bisherigen Aufgabengebieten
zurückzieht. Im ZGB finden sich jedoch keine gesetzlichen Bestimmungen,
welche die Entschädigungsfrage regeln würden. Entsprechend ist die
Praxis der zuständigen Stiftungsaufsichten und Steuerverwaltungen
massgebend. Unseres Erachtens ist eine moderate und leistungsbezogene
Entschädigung wichtig und wird auch von den meisten Kantonen zunehmend
akzeptiert.
Rechtlich betrachtet handelt es sich bei Schädigungen infolge ehrenamtlicher Tätigkeit um einen haftungs- sowie verantwortungsrechtlichen Sonderfall. In der Rechtslehre wird die Frage, ob bei ehrenamtlicher Tätigkeit eine Haftungsmilderung oder gar Wegbedingung der Haftung möglich ist, nach wie vor kontrovers diskutiert.
Fazit
Ehrenamtlich tätige Stiftungsräte können im gleichen Mass zur Rechenschaft gezogen werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen, welche eine Entschädigung erhalten. Es wäre damit fahrlässig, ein Amt anzutreten, für welches man entweder fachlich nicht qualifiziert oder nicht in der Lage ist, ausreichend Zeit zu investieren. Der Zeitfaktor zeigt sich vor allem in einer Krise, denn dann kann der Zeitbedarf abrupt in die Höhe schiessen. Ganz besonders dann muss aber zur Verhinderung oder Verminderung des Schadens professionell und rasch gehandelt werden.