

NPO
veröffentlicht: November 2022
Im geltenden Stiftungsrecht werden die Organe einer Stiftung und die Art der Verwaltung in der Stiftungsurkunde festgestellt. Diese kurze und knappe gesetzliche Umschreibung der allgemeinen Organisation einer Stiftung ist direkter Ausfluss einer grundsätzlich vorherrschenden Stifter- sowie Organisationsfreiheit im Schweizerischen Zivilrecht.
Gerade die Freiheiten bei der inhaltlichen Organisation und der Regelungsdichte führen zu einer reichhaltigen Praxis an Organisationsformen und -modellen, sowohl hinsichtlich des eingesetzten Personals, dessen Funktion (Stiftungsrat, Geschäftsführer, Prokurist etc.), als auch mit Blick auf die Auf- resp. Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen. Dabei darf wohl als Grundsatz stets gelten: Je mehr Personen für eine Stiftung tätig sind und je mehr Funktionen vergeben werden, desto höher erweist sich der Bedarf und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Regelung der organisatorischen Einzelheiten mitsamt den Verantwortlichkeiten.
Als Begriff für das gesetzlich vorgeschriebene oberste Stiftungsorgan hat sich in der Praxis der Begriff des Stiftungsrates eingebürgert. Nebst dem Gesetzesrecht und der Stiftungsurkunde kommen als Grundlage für die Tätigkeit des Stiftungsrates in erster Linie entsprechende Reglemente und / oder ein sogenannter Organträgervertrag in Betracht. Damit kann in mehr oder weniger ausführlicher Art und Weise das Rechtsverhältnis zwischen der Stiftung und dem Stiftungsrat näher geregelt werden.
Der Stiftungsrat hat das Recht, aber auch die Pflicht, im Rahmen der Geschäftsführung die Angelegenheiten der
Stiftung zu besorgen und diese gegen aussen zu vertreten. Nebst der Oberleitung der Stiftung ist der Stiftungsrat in erster Linie verantwortlich für die Verwaltung des Vermögens im Rahmen des Stifterwillens, die sorgfältige Betreuung des Vermögens sowie die gehörige Verfolgung bzw. Umsetzung des Stiftungszwecks. Die Stiftung verfügt als Anstalt – etwa im Gegensatz zur körperschaftlich organisierten Aktiengesellschaft mit ihrer Generalversammlung – nicht über ein eigentliches Willensbildungsorgan und das damit typischerweise einhergehende Selbstbestimmungsrecht. Insofern obliegt es in erster Linie dem Stiftungsrat, den Stifterwillen gebührend umzusetzen.
Vorbehältlich abweichender Anordnungen durch den Stifter verfügt der Stiftungsrat im Grundsatz demnach über relativ umfassende Befugnisse, was nicht zuletzt in haftungs- resp. verantwortungsrechtlicher Hinsicht von Bedeutung ist: Grundsätzlich steht die Stiftung für Verbindlichkeiten selbst und ausschliesslich ein, zumal der Stiftungsrat durch seine (Rechts-)Handlungen primär die Stiftung verpflichtet und nicht sich selbst.
Darüber hinaus ist mit Blick auf die (zivilrechtliche) Verantwortlichkeit des Stiftungsrats stets zu unterscheiden zwischen der Haftung gegenüber der Stiftung und derjenigen gegenüber Dritten:
Ob und welche Bestimmungen verantwortlichkeitsrechtlich letztlich anwendbar und angemessen sind, beurteilt sich stets und ausschliesslich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Die Herausforderungen für Stiftungsräte sehen wir aktuell insbesondere bei den folgenden Punkten:
Das gesetzliche Stiftungsrecht enthält – etwa im Unterschied zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft – keinen Katalog mit Aufgaben und Kompetenzen des Stiftungsrates. Hingegen wurden im Rahmen von Revisionen vereinzelte Pflichten des obersten Stiftungsorgans im Gesetz statuiert, so etwa die Pflicht zur Buchführung, zur Bezeichnung einer Revisionsstelle oder zur Ergreifung von Massnahmen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Weitere Pflichten finden sich in der Handelsregisterverordnung und in kantonalen Stiftungsaufsichtsverordnungen.
Die ihm zukommenden Kompetenzen hat der Stiftungsrat grundsätzlich selbst und in eigener (persönlicher) Verantwortung wahrzunehmen. Gerade unter haftungs- und verantwortlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten empfiehlt sich daher eine regelmässige, sorgfältige Analyse der Organisations-, Aufgaben- sowie Kompetenzstrukturen, sowohl innerhalb der Stiftung – und unter Einbezug der Regularien (insb. Stiftungsurkunde und Reglemente) – als auch im Verhältnis nach aussen. So kann bspw. eine zulässige, rechtlich saubere Delegation von Geschäftsführungsbefugnissen haftungseinschränkende Wirkung zeigen, wobei sich die Verantwortung der betroffenen Stiftungsräte auf die Auswahl, Instruktion und Überwachung der eingesetzten Personen reduziert. Ebenfalls zunehmend von Bedeutung sind einschlägige Versicherungslösungen für die Tätigkeit als Stiftungsrat (sog. Organhaftpflichtversicherungen), weshalb es sich empfiehlt, den Bedarf einer entsprechenden Deckung zu prüfen.
Trotz vieler Herausforderungen müssen auch in der Zukunft genügend Freiwillige bereit sein, diese Verantwortung zu übernehmen und sich als Stiftungsrat engagieren.
Gemeinnützige Arbeit wird umso wichtiger, je mehr sich der Staat aus Spargründen aus bisherigen Aufgabengebieten
zurückzieht. Im ZGB finden sich jedoch keine gesetzlichen Bestimmungen, welche die Entschädigungsfrage regeln würden. Entsprechend ist die Praxis der zuständigen Stiftungsaufsichten und Steuerverwaltungen massgebend. Unseres Erachtens ist eine moderate und leistungsbezogene Entschädigung wichtig und wird auch von den meisten Kantonen zunehmend akzeptiert.
Rechtlich betrachtet handelt es sich bei Schädigungen infolge ehrenamtlicher Tätigkeit um einen haftungs- sowie verantwortungsrechtlichen Sonderfall. In der Rechtslehre wird die Frage, ob bei ehrenamtlicher Tätigkeit eine Haftungsmilderung oder gar Wegbedingung der Haftung möglich ist, nach wie vor kontrovers diskutiert.
Ehrenamtlich tätige Stiftungsräte können im gleichen Mass zur Rechenschaft gezogen werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen, welche eine Entschädigung erhalten. Es wäre damit fahrlässig, ein Amt anzutreten, für welches man entweder fachlich nicht qualifiziert oder nicht in der Lage ist, ausreichend Zeit zu investieren. Der Zeitfaktor zeigt sich vor allem in einer Krise, denn dann kann der Zeitbedarf abrupt in die Höhe schiessen. Ganz besonders dann muss aber zur Verhinderung oder Verminderung des Schadens professionell und rasch gehandelt werden.
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