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MWST 2

MWST-Teilrevision – die wesentlichen Änderungen

Die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) ist abgeschlossen. Das neue Recht wird voraussichtlich am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Auch wenn die Vernehmlassung zur Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) erst im Herbst 2023 eröffnet wird, sollten die Verantwortlichen bereits jetzt die Auswirkungen des neuen Rechts auf ihr Unternehmen analysieren, um rechtzeitig die notwendigen Massnahmen ergreifen zu können.

Überblick über die wichtigsten Änderungen

Zur besseren Lesbarkeit werden die teilrevidierten Gesetzesartikel im Folgenden mit «nMWSTG» bezeichnet.

A. Neue Bestimmungen beim Ort der Dienstleistung

  • Neu unterliegen die Organisationsdienstleistungen von Reisebüros dem Empfängerortsprinzip nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG und nicht mehr dem Erbringerortsprinzip.

  • Bei Dienstleistungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sportes, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnlichen Leistungen, setzt das Tätigkeitsortsprinzip nach Art. 8 Abs. 2 Bst. c nMWSTG voraus, dass die Leistungen unmittelbar gegenüber vor Ort physisch anwesenden Personen erbracht werden. Bei «Onlineveranstaltungen» (z.B. Unterricht) richtet sich der Leistungsort somit neu nach dem Empfänger- ortsprinzip gemäss Art. 8 Abs. 1 MWSTG und nicht mehr nach dem Ort, an dem die unterrichtende Person tätig ist.

B. Missbrauchsbekämpfung - Erweiterung der Haftung

Zur Missbrauchsbekämpfung kann die ESTV neu gemäss Art. 15 Abs. 1 Bst. g nMWSTG von einem Mitglied des geschäftsführenden Organs einer juristischen Person im Sinne einer Solidarhaftung eine Sicherstellung für die von dieser juristischen Person geschuldeten oder voraussichtlich geschuldeten Steuern, Zinsen und Kosten verlangen, wenn:

  • das betreffende Mitglied dem geschäftsführenden Organ von mindestens zwei weiteren juristischen Personen angehörte, über die innerhalb einer kurzen Zeitspanne der Konkurs eröffnet worden ist; und
  • Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das betreffen de Mitglied im Zusammenhang mit diesen Konkursen strafbar verhalten hat.

C. Neue Zuordnung von Leistungen bei Lieferungen über elektronische Plattformen

Im Sinne der Gleichbehandlung sollen auch ausländische Versandhandelsplattformen in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig werden. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Artikel eingefügt. Danach müssen Versandhandelsplattformen neu alle über ihre Plattform abgewickelten und in die Schweiz gelangenden Warenlieferungen deklarieren und versteuern. Zur Durchsetzung der neuen Regeln kann die ESTV administrative Massnahmen anordnen, wenn sich Versandhandelsplattformen oder Versandhändler zu Unrecht nicht im Schweizer MWST-Register eintragen lassen oder ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht nachkommen. Weiter kann die ESTV ein Importverbot für Lieferungen des betreffenden Unternehmens und als letzte Massnahme die Vernichtung der Gegenstände anordnen.

Leistungen bei Lieferungen über elektronische Plattformen

Zudem wird eine Informationspflicht für alle Internetplattformen eingeführt. Die ESTV kann diese künftig auffordern, ihr mitzuteilen, wer über die Plattform Leistungen in einem Umfang anbietet, der eine MWST-Pflicht auslösen könnte. Dabei geht es vor allem um Dienstleistungen in den Bereichen Transport (Taxifahrten, Kurierfahrten) und Beherbergung (Vermietung von Unterkünften), bei denen die Plattformen nicht als Leistungserbringer gelten.

D. Neuerung bei Subventionen

Neu gelten die von einem Gemeinwesen ausgerichteten Mittel mehrwertsteuerlich als Subventionen oder andere öffentlich-rechtliche Beiträge im Sinne von Art. 18 Abs. 2 Bst. a nMWSTG, wenn das ausrichtende Gemeinwesen diese gegenüber dem Empfänger ausdrücklich als Subventionen oder andere öffentlich-rechtliche Beiträge bezeichnet. Damit sollen Abgrenzungsprobleme zwischen Subventionen und entgeltlichen Leistungen vermieden werden. Ob diese Änderung tatsächlich eine Vereinfachung darstellt, wird die Praxis zeigen.

E. Erweiterung bei den Steuerausnahmen

Im Rahmen der Teilrevision wurden verschiedene Steuerausnahmen erweitert und/oder neu eingefügt:

Gesundheitswesen und Spitex:

Im Gesundheitsbereich fallen neu auch die Ambulatorien und Tageskliniken als mögliche Leistungserbringer unter die Spitalbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2 nMWSTG). Zudem fallen neu auch Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen - sog. «managed care» - unter die Steuerausnahme (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3bis nMWSTG). Die Steuerausnahme wirkt sich positiv auf die Auslagerung von Leistungen der koordinierten Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen aus.

Für Leistungen von Einrichtungen der Sozialhilfe und der sozialen Sicherheit, von Organisationen der Krankenpflege und der Hilfe zu Hause (Spitex) sowie von Alters-, Wohn- und Pflegeheimen ist neu relevant, ob die Institution einen gemeinnützigen Zweck verfolgt oder nicht (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3 nMWSTG).

Bildung, Erziehung, Personalverleih und Kultur

Der Begriff der «Fortbildung» wurde mit dem Begriff der «Weiterbildung» ersetzt. Es ist abzuwarten, welche Auswirkungen dies haben wird (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 11 Bst. a nMWSTG).

Das Zurverfügungstellen von Personal durch nichtgewinnstrebige Einrichtungen bedarf für die Steuerausnahme nicht mehr der Verfolgung einer religiösen oder weltanschaulichen Zweckbestimmung. Neu ist lediglich relevant, dass der Personalverleih von einer nichtgewinnstrebigen Einrichtung erfolgt und Zwecken der Krankenbehandlung, der Sozialhilfe und der sozialen Sicherheit, der Kinder- und Jugendbetreuung, der Erziehung und Bildung sowie kirchlichen, karitativen und gemeinnützigen Zwecken dient (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 12 nMWSTG).

Unter die Steuerausnahme fallen neu auch die Entgelte, welche für die Zulassung zu einem kulturellen Anlass erhoben werden. Bei diesen handelt es sich um Startgelder, Einschreibegebühren usw., welche Personen für die aktive Teilnahme an einer Veranstaltung (z.B. Jodler am Jodlerfest) bezahlen müssen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 14bis nMWSTG).

Umsätze im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs

Neu werden Leistungen an Anlagegruppen von Anlagestiftungen gemäss BVG in Analogie zu den Leistungen an kollektiven Kapitalanlagen gemäss KAG von der Steuer ausgenommen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 nMWSTG).

Leistungen bei «Gemeinwesen»

Neu findet die Steuerausnahme bei Leistungen zwischen Anstalten oder Stiftungen Anwendung, wenn deren Gründer oder Träger ausschliesslich Gemeinwesen sind. Neu genügt es, wenn die aktuellen Träger der Anstalt oder Stiftung ausschliesslich Gemeinwesen sind (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 Bst. c nMWSTG).

Leistungen von Reisebüros

Die durch Reisebüros weiterverkaufte Reiseleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen der Reisebüros sind neu von der Steuer ausgenommen. Der Vorsteuerabzug für von Reisebüros weiterverkaufte Reiseleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen der Reisebüros ist möglich, sofern sie im Ausland bewirkt oder genutzt werden (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 31 i.V.m. Art. 29 Abs. 1ter nMWSTG).

F. Steuersatz

Neu findet der reduzierte Steuersatz Anwendung auf Produkte für die Monatshygiene.

G. Jährliche Abrechnung bei kleineren Unternehmen

Steuerpflichtige Personen, deren Umsatz aus steuerbaren Leistungen nicht mehr als CHF 5 024 000 (ab 1. Januar 2024) beträgt, können die MWST neu auf Antrag jährlich abrechnen (Art. 35 Abs. 1bis Bst. b i.V.m Art. 35a nMWSTG). Die Limite wird mit der Erhöhung der Steuersätze nach oben angepasst. Die jährliche Abrechnung muss während mindestens einer Steuerperiode beibehalten werden. Die ESTV kann die Genehmigung zur jährlichen Abrechnung widerrufen, wenn die steuerpflichtige Person ihren Abrechnungs- und Zahlungspflichten nicht oder nur teilweise nachkommt. Wer von der jährlichen zur viertel- oder halbjährlichen Abrechnung wechselt, kann frühestens nach drei Steuerperioden wieder zur jährlichen Abrechnung zurückkehren.

MWST-Abrechnung bei kleineren Unternehmen

Bei der jährlichen Abrechnung wird die Steuer provisorisch in Raten erhoben, die von der ESTV festgesetzt und in Rechnung gestellt werden (Art. 86a nMWSTG). Die Raten der Steuerforderung werden auf Basis des Vorjahres berechnet. Die Fälligkeitstermine der Raten entsprechen denjenigen der viertel- und halbjährlichen Abrechnung. Bei verspäteter Zahlung sind Verzugszinsen zu entrichten. Erachtet die steuerpflichtige Person die Raten als zu hoch oder zu niedrig, so kann sie bei der ESTV eine Anpassung der Raten beantragen. Die bezahlten Raten werden an die Steuerforderung gemäss eingereichter Jahresabrechnung angerechnet. Ergibt sich aus der Steuerabrechnung oder aus der Anrechnung der bezahlten Raten an die Steuerforderung ein Überschuss zugunsten der steuerpflichtigen Person, so wird ihr dieser ausbezahlt.

H. Bezugsteuer beim Handel mit Emissionsrechten etc.

Neu unterliegt die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten, Bescheinigungen und Zertifikaten durch Unternehmen mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte im Ausland oder Inland, die nicht nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 Bst. e MWSTG von der Inlandsteuer ausgenommen ist (Art. 45 Abs. 1 Bst. e nMWSTG).

Fazit

Ob und inwieweit sich die Neuerungen auf den einzelnen Steuerpflichtigen auswirken, ist im Einzelfall zu prüfen.

In einigen Bereichen wird die noch ausstehende revidierte MWSTV sicherlich noch mehr Klarheit bringen. Aufgrund der Teilrevision werden auch die MWST-Infos und die MWST-Branchen-Infos überarbeitet.

Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

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  • Marc Oliver Müller

    Marc Oliver
    Müller

    Master of Law

  • Marco Frappa

    Marco
    Frappa

    Betriebsökonom FH, dipl. Steuerexperte, MAS FH in MWST, LL.M. VAT

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