KMUinfo
In diesem KMUinfo informieren wir Sie über wesentliche Änderungen im Aktienrecht, über die bevorstehende Totalrevision des Zollgesetzes und des Datenschutzgesetzes (DSG) sowie über Aktuelles zur staatlichen E-ID. Wir erläutern Praxisthemen wie Preisanpassungsklauseln in den AGB, Änderungen im Erbrecht sowie Auswirkungen der Abstimmung betreffend AHV 21. Die wichtigsten Informationen klar und verständlich zusammengefasst. Haben Sie Fragen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.
Wichtigste Neuerungen
Aktienrechtsrevision
Die umfangreiche Revision des Aktienrechts ist per 1. Januar 2023 in
Kraft getreten. Sie umfasst eine Vielzahl von Klarstellungen,
Erleichterungen und Flexibilisierungen. Neu besteht die Möglichkeit der
virtuellen Durchführung von Generalversammlungen (GV), das Fassen von
Verwaltungsratsbeschlüssen
via E-Mail (als Zirkularbeschluss), die Festlegung des Aktienkapitals in
der funktionalen Fremdwährung zu einem beliebigen Aktiennennwert von
> CHF 0, die Zulässigkeit der Ausrichtung von Zwischendividenden oder
die Einführung eines Kapitalbands zur Kapitalveränderung. Alsdann
ergeben sich Änderungen im Sanierungsrecht, wo nunmehr die Liquidität im
Zentrum steht. So verlangt das neue Aktienrecht etwa auch bei
Opting-Out Gesellschaften die Prüfung der Jahresrechnung durch einen
Revisionsexperten, sofern diese einen hälftigen Kapitalverlust zeigt.
Einige der neu eingeführten Erleichterungen und Flexibilisierungen
bedürfen vor Erstanwendung einer statutarischen Grundlage, was eine
Anpassung der Statuten voraussetzt. Dies gilt bspw. für die virtuelle
GV.
Erbrechtsrevision: Prüfung Testamente / Erbverträge
Die am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Revision des Erbrechts bringt insbesondere folgende wichtigen Änderungen mit sich:
- Pflichtteilsrecht: Die Pflichtteile werden teilweise angepasst. Gerne verweisen wir an dieser Stelle auf die Beilage «revidiertes Erbrecht». Bei Testamenten oder Erbverträgen, in welchen Pflichtteile festgehalten wurden, prüfen Sie bitte ob die fragliche Verfügung nach wie vor die gewünschte Wirkung entfaltet.
- Begünstigungen: Bei Nutzniessung zu Gunsten des Ehegatten sollte geprüft werden, ob die neu geltende Quote zu Gunsten gemeinsamer Nachkommen allenfalls verletzt wird und folglich Anpassungsbedarf besteht.
- Schenkungen: Neu unterliegt der Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrags einem generellen Schenkungsverbot. Möchte der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen ausrichten, die über übliche Gelegenheitsgeschenke hinausgehen, ist im Erbvertrag einVorbehalt anzubringen. Handlungsbedarf besteht alsdann insbesondere, wenn ein bestehender Erbvertrag keine Regelung über die Zulässigkeit von Schenkungen enthält.
Datenschutzgesetz (DSG)
Auf den 1. September 2023 tritt das neue Datenschutzgesetz (DSG) in Kraft, welches insbesondere die Transparenz von Datenbearbeitungen verbessern und die Selbstbestimmung der betroffenen Personen über ihre Daten stärken soll. Des Weiteren soll durch die Revision eine Anpassung des DSG an die Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) – insb. Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – erfolgen, damit die Schweiz weiterhin als «Drittstaat mit angemessenem Datenschutzniveau» qualifiziert wird. Dies soll nicht zuletzt der Sicherstellung eines weiterhin einfachen Datenaustausches zwischen der Schweiz und der EU dienen. Wichtige Neuerungen sind ausgebaute Informationspflichten und Betroffenenrechte, eine (ggf.) erweiterte Dokumentationspflicht, erhöhte Anforderungen bei Personendatenbekanntgabe ins Ausland und bei der Auswahl eines Dienstleisters (Auftragsdatenbearbeiter) oder die Verschärfung der Strafbestimmungen. Das neue DSG tritt ohne Übergangsfrist in Kraft, weshalb der Handlungsbedarf – bspw. unter Einbezug des «DSG-Massnahmenkatalogs» von Balmer-Etienne – bereits heute geprüft werden sollte. Gerne verweisen wir auch an dieser Stelle auf die Beilage DSG.
Sozialversicherungen – Wegfall Solidaritätsprozent (ALV 2) per 1. Januar 2023
Zu Beginn des Jahrtausends war die Arbeitslosenversicherung (ALV) stark verschuldet. Aus diesem Grund wurde auf Lohnbestandteilen über CHF 148 200 das sogenannte Solidaritätsprozent zur Entschuldung erhoben. Die finanzielle Situation der ALV hat sich bis Ende 2022 soweit erholt, dass dieses Solidaritätsprozent ab 2023 automatisch per Gesetz wegfällt. In diesem Zusammenhang ist zu Beginn des Jahres zu prüfen, ob die Systemparametrisierung korrekt ist. Gerne verweisen wir auf die Beilage «Beitragssätze 2023».
Aus der Praxis
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) erfreuen sich grosser Beliebtheit und sind im heutigen Praxisalltag kaum
mehr wegzudenken. Sie entfalten allerdings nur dann Rechtswirkung, wenn
sie von den Vertragsparteien durch Vereinbarung zum Vertragsbestandteil
erhoben wurden. Dafür bedarf es bspw. einer ausdrücklichen Bezugnahme
auf die zur Verfügung gestellten resp. zugänglich gemachten AGB im
Rahmen und im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Andernfalls erlangen AGB
nur in besonderen Ausnahmekonstellationen vertragliche Geltung. Immer
beliebter werden sogenannte Preisanpassungs- resp. Inflationsklauseln,
die das Risiko von im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbaren
Kostensteigerungen abfedern sollen, so z.B.:
Sind die Kosten gemäss FCA Incoterm bzw. weitere Kosten im Preis gesondert ausgewiesen, behält sich der Lieferant das Recht vor, die Ansätze nach Vertragsschluss bei Änderung der von den betreffenden Leistungserbringern geforderten Preisen ebenfalls anzupassen, falls die Lieferung oder Leistung später als vier Monate nach Vertragsschluss zu erfolgen hat.
Gegen hinreichend konkrete Preisanpassungsklauseln ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenngleich sich diese regelmässig in einem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und rechtlicher Zulässigkeit bewegen. Relevant ist stets der Einzelfall. Mithin die Frage, ob die AGB-Klausel in Treu und Glauben verletzender Weise zu einem erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten führt. Letztlich müsste der Entscheid über diese Frage dem Ermessen eines Gerichts überlassen werden. Die Griffigkeit einer entsprechenden und demnach auch obiger AGB-Klausel ist daher stets mit Unsicherheit behaftet. Das gilt im Übrigen auch mit Blick auf die Frage, ob sich im umgekehrten Fall (sinkende Preise) der Empfänger der Lieferung ebenfalls darauf berufen könnte.
Fallstrick Rückstellung vs. Anhangsangabe
Im Rahmen der bevorstehenden Jahresabschlussarbeiten stellt sich oft die Frage, ob für ein entsprechendes Ereignis eine Rückstellung gebildet oder eine Angabe im Anhang gemacht werden muss.
Rückstellungen werden erfolgswirksam gebildet, wenn nachfolgende Kriterien kumulativ erfüllt sind:
- vergangenes Ereignis (d. h. Bilanzstichtag und früher)
- Mittelabfluss ist wahrscheinlich (d. h. Eintrittswahrscheinlichkeit über 50 %)
- Höhe des Mittelabflusses ist verlässlich schätzbar
Rückstellungen für ausserordentliche, einmalige oder periodenfremde Aufwendungen sind als solche zu erfassen und müssen im Anhang entsprechend erläutert werden.
Eventualverbindlichkeiten sind rechtliche oder faktische Verpflichtungen, bei denen ein Mittelabfluss zwar möglich, jedoch unwahrscheinlich erscheint (Eintrittswahrscheinlichkeit 50% oder tiefer) oder die Höhe nicht verlässlich geschätzt werden kann. Im Gegensatz zu den Rückstellungen werden die Eventualverbindlichkeiten nur im Anhang erläuternd ausgewiesen und nicht erfolgswirksam verbucht.
Aktuelles aus Bundesbern
Staatlich anerkannte E-ID
Der staatlich anerkannte Identifikationsnachweis (E-ID) soll in Zukunft ermöglichen, dass sich BenutzerInnen digital ausweisen und ihre Daten grösstmöglich kontrollieren können. Künftig sollen die E-ID alle InhaberInnen einer Schweizer Identitätskarte, eines Schweizer Passes oder auch eines Ausländerausweises, welcher von der Schweiz ausgestellt wurde, beantragen können. Geplant ist insbesondere eine App (Wallet), in der die E-ID verwaltet werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass man internetkommunikationsfähige Hardware besitzt. Die Vertrauensinfrastruktur dazu fällt in die Verantwortlichkeit des Bundes. Die E-ID soll sowohl dem elektronischen wie auch dem analogen Gebrauch dienen. Dieser ist jedoch auf freiwilliger Basis. Die Vorlage zum neuen E-ID-Gesetz soll dem Bundesrat voraussichtlich bis im Sommer 2023 unterbreitet werden.
Auswirkungen Abstimmung AHV21
Die Auswirkungen der Abstimmung vom 25. September 2022 zur «Stabilisierung der AHV» sind vielseitig und tangieren nicht nur Frauen.
Kurz zusammengefasst greift für weibliche Privatpersonen die Erhöhung des Referenzalters ab dem 1. Januar 2025 um jeweils drei Monate je Jahrgang und Kalenderjahr. Dies betrifft die Jahrgänge 1961 bis 1964. Die vollständige Umsetzung der Reform «Rentenalter Frau ab 65» ist ab dem Jahr 2028 für die Jahrgänge 1964 und jünger abgeschlossen.
Für Arbeitgeber werden, neben der MWST Satzanpassung ab 1. Januar 2024, insbesondere die gestaffelten Pensionierungen und damit zusammenhängende HR-Leistungen wie Pensionsberatung aber auch Ressourcenplanungen fordernd. Sodann sollte sich der Arbeitgeber die Vielfalt der Möglichkeiten bewusst sein, um allfällige Justierungen im Personalreglement aufzugleisen und gegebenenfalls die Varietät von Möglichkeiten einschränken.
Zu prüfen ist schliesslich, ob für die Pensionierung ein fixes Alter festgehalten ist. So sind Formulierungen wie «Das Arbeitsverhältnis endet beim Erreichen des 64. Altersjahrs» entsprechend mit beispielsweise «… beim Erreichen des Referenzalters» zu ersetzen. Alternativ könnte auf einen fixen Pensionierungszeitpunkt verzichtet werden. Bei variierendem Ressourcenbedarf seitens Arbeitgeber kann sodann den Arbeitnehmenden im Gegenzug die flexible Frühpensionierung ermöglicht wie auch die (teilweise) Weiterarbeit bis zum Alter 70 individuell geregelt werden. Das Arbeitsverhältnis müsste folglich jedoch aktiv durch eine Kündigung beendet werden.
Der Einfluss auf die berufliche Vorsorge der Frauen ist indes noch nicht abschliessend klar. Leisten Frauen und ihre Arbeitgeber sodann ein Jahr länger Vorsorgebeiträge der 2. Säule, sollten entsprechend durch dieses höhere Freizügigkeitsguthaben auch die BVG Renten steigen. Entsprechende Anfragen bei verschiedenen Vorsorgeversicherungen bestätigten diese Folgerichtigkeit. Eine abschliessende Bestätigung konnte mit Hinweis auf mögliche Umwandlungssatzanpassungen jedoch nicht abgegeben werden.
Der Freibetrag für Erwerbstätige im Rentenalter bleibt unverändert; wer aber Beitragslücken füllen will, kann auf den Freibetrag verzichten. Dies wiederum löst administrative Abklärungen zwischen Ihrer HR-Stelle und der Arbeitskraft aus.
Totalrevision Zollgesetz (ZG) – Ausarbeitung der Detailbestimmungen im Frühjahr 2023
Das Zollgesetz soll insbesondere unter dem Fokus der umfassenden Digitalisierung und der Effizienzsteigerung der Grenzprozesse total revidiert werden. Bereits heute müssen Unternehmen die relevanten Unterlagen, wie die Veranlagungsverfügung MWST und Zoll aus dem E-Dec- Portal herunterladen. Diese elektronischen Unterlagen (Originaldatei) sind insbesondere für den Vorsteuerabzug und den Dokumentennachweis relevant. Sie müssen digital aufbewahrt werden. Ein Ausdruck der Dokumente reicht für den Nachweis und den Anforderungen der Aufbewahrungspflicht nicht.
Teilrevision Gesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTG)
Die laufende Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes ist etwas ins Stocken geraten. Sie wird wohl nicht vor dem 1. Januar 2025 in Kraft treten. Eckpfeiler der geplanten Neuerungen sind (Stand Dez. 2022): Die freiwillige jährliche MWST-Abrechnung, Massnahmen zur Betrugsbekämpfung sowie Vereinfachungen bei der steuerlichen Qualifikation von Subventionen. Eine Ausweitung der Bezugsteuer auch auf B2B-Leistungen aus dem Ausland soll jedoch nicht erfolgen.