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Stefan will’s wissen: Experten­wissen zur BVG-Reform 2024

Die berufliche Vorsorge, die sogenannte 2. Säule, ist ein wichtiger Pfeiler unseres Rentensystems. Doch steigende Lebenserwartung und schwankende Kapitalmärkte setzen die Renten zunehmend unter Druck. Wie kann die BVG-Reform diese Probleme lösen? In der neuesten Ausgabe von 'Stefan will’s wissen' sprechen wir mit dem Experten Othmar Erni über die anstehende Abstimmung und die Auswirkungen auf unsere Altersvorsorge.
 

Willkommen zu Stefan will's wissen: BVG-Reform 2024

Stefan: Für viele Menschen ist die berufliche Vorsorge (auch bekannt als 2. Säule) eine wichtige Ergänzung zur AHV. Während ihres Berufslebens sparen wir mit Lohnbeiträgen und den Beiträgen ihrer Arbeitgeber in der Pensionskasse ein Altersguthaben an. Die Renten der beruflichen Vorsorge stehen seit Längerem unter Druck. Grund dafür sind die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung sowie die Schwankungen auf den Kapitalmärkten. Hinzu kommt ein zweites Problem: Wer wenig verdient oder Teilzeit arbeitet, hat später keine oder eine sehr kleine Rente aus der zweiten Säule.

Aus diesen Gründen hat das Parlament im letzten Jahr eine Reform der Beruflichen Vorsorge verabschiedet. Gegen diese Reform wurde das Referendum ergriffen und wir stimmen am 22. September 2024 darüber ab. Ich möchte mich heute zu diesem Thema mit Othmar Erni, einem ausgewiesenen Experten von Weibel Hess und Partner AG unterhalten. Willkommen Othmar.

Weibel Hess & Partner AG (WHP)

Stefan: Du bist seit dem 1. Juli 2016 bei WHP und Leiter der Niederlassung Zürich. Bitte stelle doch kurz WHP und deine Funktion bei WHP vor. 

Othmar: WHP ist eine unabhängige Boutique im Bereich Versicherung, Vorsorge und Vermögen. Wir sind rund 40 Mitarbeiter in Luzern und Zürich.

Ich bin verantwortlich für die Beratung von Firmenkunden und den leitenden Mitarbeitern in allen Finanzthemen. Dabei startet die Beratung häufig mit der Pensionskasse, wo wir mit dem jährlichen Pensionskassenvergleich seit 2006 schweizweit bekannt sind. Personalvorsorge ist unsere Kernkompetenz.

BVG-Reform: Worum geht es?

Stefan: Vorsorge ist ein gutes Stichwort. Die Schweizer Bevölkerung stimmt am 22. September 2024 über die Reform der Beruflichen Vorsorge ab. Was ist Inhalt dieser Reform und auf was zielt sie ab?

Othmar's Einleitung zum 3-Säulen-System:

Das BVG ist als 2. Säule der zentrale Pfeiler der Altersvorsorge in der Schweiz. Es wird ergänzt durch die staatliche AHV als 1. Säule und die private Vorsorge als 3. Säule.

Das BVG basiert auf dem Kapitaldeckungsverfahren, bei dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber während 40 Jahren Beiträge in eine Pensionskasse einzahlen, somit mit Zins + Zinseszins ein Kapital ansparen um im Alter eine Rente oder wahlweise auch das Kapital zu erhalten.

Durch die erfreulicherweise gestiegene Lebenserwartung seit 1985 und die gesunkenen Zinsen ist aber das Gefüge aus den Fugen geraten und insbesondere der Umwandlungssatz vom angehäuften Kapital in die Altersrente ist mit 6.80 % zu hoch. 

Der parlamentarische Kompromiss-Reformvorschlag beinhaltet folgende zentrale Punkte:

  • Senkung des Umwandlungssatzes auf 6.0 %
  • Stärkung und Modernisierung des Sparprozesses durch höhere Beiträge im jungen Alter und Abflachung der Beitragsskala
  • Verbesserungen für Teilzeit- und Niedriglohnarbeitende durch Reduktion des Koordinationsabzugs und tiefere Eintrittsschwelle

Die Reform soll die berufliche Vorsorge für kommende Generationen stabilisieren und modernisieren. Mit einem Rentenzuschlag für 15 Generationen soll der Übergang abgefedert werden. 

Vorteile der BVG-Reform

Stefan: Was sind die Vorteile dieser Reform?

Othmar: 

  • Teilzeitmitarbeitende und Geringverdiener sollen bessergestellt werden, was insbesondere für Frauen zu Verbesserungen führen soll.
  • Umverteilungseffekte durch den zu hohen Umwandlungssatz sollen reduziert werden.
  • Durch Kompensationsmassnahmen sollen Verluste für angehende Rentner abgefedert werden.
  • Die Kosten für die älteren Mitarbeiter sollen durch Abflachung der bisher stark altersabhängigen Beitragsskala gesenkt und somit deren Arbeitsmarktfähigkeit erhöht werden.

Vorbehalte und mögliche negative Folgen

Stefan: Gerade weil wir darüber abstimmen, muss es doch sicher auf Vorbehalte geben. Was sind die wichtigsten Bedenken? Respektive was sind die negativen Folgen dieser Reform?

Othmar: 

  • Durch die Senkung des Umwandlungssatzes wird die obligatorische Rente kleiner, was Verlierer ergibt. Deshalb auch die Kompensationsmassnahmen.
  • Mehrkosten und neue Ungerechtigkeiten sowie Umverteilungseffekte; die Kompensationsmassnahmen müssen finanziert werden.
  • Die Komplexität im System steigt weiter, was indirekt auch zu Mehrkosten führt und das Vertrauen ins System untergräbt.

Da nur eine Minderheit nur obligatorisch versichert ist, kann der genaue Effekt der Reform nicht genau abgeschätzt werden, über die Zahlen wird gestritten.  

Auswirkungen für Privatkunden und Unternehmen

Stefan: Was hat die Reform für Auswirkungen für unsere Privatkunden resp. unsere Unternehmen und was können sie im Hinblick auf die Abstimmung unternehmen? 

Othmar: 

  • Privatkunden: Arbeitnehmer: Die Renten könnten aufgrund der Senkung des Umwandlungssatzes geringer ausfallen, insbesondere für ältere Versicherte, sofern sie sich nicht für die Kompensationsmassnahmen qualifizieren. Und sofern sie überhaupt von der BVG-Reform betroffen sind, da doch rund 90 % der Firmen schon heute grosszügigere Lösungen für die Arbeitnehmer anbieten. Häufig wird sich gar nichts ändern und höchstens die Kosten steigen.
     
  • Unternehmen: Die Reform wird zu höheren Kosten führen, besonders durch die Giesskanne Ausgleichsmaßnahmen. Dazu steigt die Komplexität, auch wenn durch eine grosszügige überobligatorische Lösung kein eigentlicher Anpassungsdruck besteht.

Eine Mehrheit der Unternehmen bietet schon heute massiv bessere grosszügigere Vorsorgelösungen für ihre Arbeitnehmer an und diskriminiert weder Teilzeitmitarbeitende noch Frauen. Viele grosse Firmen und auch Staatsbetriebe haben in ihren Pensionskassen die Umwandlungssätze auf nahezu 5 % gesenkt, was mathematisch korrekt ist.

Fazit

Stefan: Was ist deine / eure (WHP) Schlussfolgerung zu dieser Reform?   

Othmar: Die BVG-Reform hat einen schweren Stand und in der Praxis haben viele Arbeitgeber ihre soziale Verantwortung wahrgenommen und sinnvolle Optimierungen schon lange eingeführt. Die Lebenserwartung gehört nicht ins Gesetz und Umverteilung gibt es zur Genüge in der 1. Säule. Die 2. Säule sollte entpolitisiert werden, womit die aktuelle Reform in die falsche Richtung geht.

Arbeitnehmer sollen ihre Mitwirkung in den Firmen verstärken und Verbesserungen einfordern und damit ihre Verantwortung in unserem guten 3-Säulen-System wahrnehmen.

Schlusswort

Stefan: Vielen Dank Othmar für deine interessanten Ausführungen zur anstehenden Abstimmung zur BVG-Reform. Ich ziehe als Fazit dass bei solchen Reformen der Teufel im Detail liegt. Danke, dass du uns hier kompetent aufgeklärt hast. Haben Sie, liebes Publikum Fragen zu dieser Reform, dann stehen ihnen die Expterten von WHP und Balmer-Etienne gerne zur Verfügung. Vielen Dank fürs Zuhören und machen Sie es gut.

Dürfen wir Ihnen weiterhelfen?

  • Stefan Wigger

    Stefan
    Wigger

    MLaw, dipl. Steuerexperte, LL.M. UZH International Tax Law